Kolumbanskirche
Zur Geschichte der Pfarrkirche
Obwohl es für die Existenz einer Rorschacher Pfarrei und eines Gotteshauses keine datierten Hinweise vor 1206 (Erwähnung Rudolfs aus dem Geschlecht der Edlen von Rorschach als Leutpriester in Rorschach) bzw. 1236 (Ersterwähnung der Pfarrkirche) gibt, lässt das in der Schweiz seltene Kolumban-Patrozinium den Schluss zu, die kirchlichen Ursprünge im Frühmittelalter anzusetzen. Die Tatsache, dass sich um 612 der irische Missionar Kolumban (um 543-615) zusammen mit dem hl. Gallus (gest. um 650) und anderen Begleitern im nahen Arbon TG, dem römischen Arbor Felix, aufgehalten hat, dürfte nie vollständig aus dem Bewusstsein der ansässigen alemannischen Bevölkerung gewichen sein.
Aufschlussreich für die frühe Baugeschichte der Pfarrkirche St. Kolumban und Konstantius war die archäologische Grabung von 1992/93. Sie wies nicht nur die Existenz einer frühmittelalterlichen alemannischen Grablege an der Stelle der heutigen Pfarrkirche nach, sondern auch ein erstes Kirchlein für das 8. Jahrhundert. Es hatte eine Grundfläche von ca. 4,7 x 6,6 m [1. Kirche] und stand inmitten des Gräberfeldes. Dieser Holzbau wurde im 9. Jahrhundert ersetzt durch eine rechteckige steinerne Saalkirche von ca. 8 x 14 m (Innenmass) [2. Kirche]. Das dritte, in seinen Fundamenten vollständig nachgewiesene Gotteshaus (Innenmass: 20,5 x 14,4 m) mit eingezogenem Altarhaus über quadratischem Grundriss (5,5 m innere Länge) stammt aus der Jahrtausendwende [3. Kirche]. Wohl im frühen 13. Jahrhundert erweiterte man diese Kirche gegen Westen um ein Joch (ca. 5,5 m) und fügte an die Südmauer des Chors einen Turm [4. Kirche].
Ein Neubau war jenes Kirchengebäude, für dessen Errichtung 1438 (Weihejahr) in Teilen des Bistums Konstanz, zu dem die Rorschacher Pfarrei damals noch gehörte, eine Sammelaktion durchgeführt wurde [5. Kirche]. Ein polygonales Altarhaus (Tiefe: ca. 7 m) trat an die Stelle des romanischen Rechteckchors. Das Schiff (Innenmass: 19,5 x 13,5 m) erhielt die Breite der heutigen Kirche. Der Westabschluss, bestehend aus einer gerade verlaufenden Giebelwand mit Fensterdurchbrüchen und zentralem Portal, wurde - wie der Turm - auf den Fundamenten des Vorgängerbaus errichtet. 1644 liess Abt Pius Reher (reg. 1630-1654), der Förderer der Kirchenarchitektur in den st. gallischen Stiftslanden auch Rorschach seine Aufmerksamkeit zuwandte, den noch heute bestehenden Polygonalchor aufrichten. An ihn wurde nördlich die Sakristei mit dem darüberliegenden Singhaus (Chorempore) angefügt, welches sich in zwei Rundbogen zum Altarhaus öffnet.
Bis 1666 wurden unter dem initiativen Johann Caspar Zehender (Pfarrer in Rorschach von 1665 bis 1676) die beiden Seitenkapellen mit den ungewöhnlichen Wandschrägungen im Übergang zum Langhaus errichtet und mit massiven Backsteinkonstruktionen überwölbt. 1667 durchbrach man die Wände des um ca. 7m verlängerten Schiffs nahe beim Westabschluss und legte neue Seitenportale an. Die Innenausstattung des Gotteshauses erfuhr Bereicherung durch die Errichtung je zweier neuer Altäre in den Seitenkapellen und die Anschaffung des noch vorhandenen Taufsteins (1667). Die Konsekration der Seitenaltäre am 21. April 1671 durch Georg Sigismund Müller (1615 - 1686), Weihbischof in Konstanz seit 1654, beendete den Umbau des Innenraums [6. Kirche].
Die Translation der Gebeine des hl. Konstantinus aus der römischen Praetexatus-Katakombe, die am 22. April 1674 in Form eines grossen Volksfestes stattfand, führte bereits zwei Jahre später zur Ausweitung des Kirchenpatoziniums auf diesen Heiligen. Das Ereignis bewirkte eine Intensivierung des kirchlichen Kultes, was sich in zahlreichen Vergrabungen an das Gotteshaus niederschlug: Unter Mauritius Geiger (1640 - 1691; Pfarrer in Rorschach ab 1680) kam 1681 als Stiftung des Johann Balthasar Hoffmann von Leuchtenstern (1636 - 1721) eine neue Orgel auf die Empore, 1694 wurde jene im Sunghaus ersetzt. Gleichzeitig gelangte umfangreiches Silbergerät an die Kirche.
1694 setzten - unter Aufsicht Johannes Rheiners (1631 - 1697) und Matthäus Wendelin von Bayers (1661 - 1730) - Maurermeister Peter Haimb (1636 - 1706) und Zimmermann Hans Schueler (auch Schuohler; 1632 - 1702), beide in Rorschach, dem Turm, den bisher ein Käsbissendach (steiles Satteldach) abgeschlossen hatte, die achteckige umfangene Glockenstube mit Zwiebelhaube auf. Damit lag der Glockenstuhl 14 Schuh (ca. 4,2 m) höher als beim Vorgängerbau. Gleichzeitig bekam der Turm vier "Zeig-Uhren" und eine neue Glocke für den Viertelstundenschlag, was den Einbau eines neuen Uhrwerks erforderte. Die finanzielle Abwicklung des Umbaus lag in den Händen Johann Georg Schenklis (1654 - 1728), Rorschacher Pfarrer seit 1691. Schenklis Aufzeichnungen erwähnen zudem für 1693 eine Erhöhung des Chorgewölbes um 11 Schuh (ca. 3,3 m) und eine Erneuerung der Langhausmauern. Auf einer zweiten Westempore, die man in den freien Raum zwischen der bereits bestehenden Empore und der Decke setzte, fand die Orgel von 1681 einen neuen Standort.
Während der folgenden Jahrzehnte blieb es an und in der Kirche - mit Ausnahme der Errichtung des noch bestehenden Hochaltars (1731) und der Ausschachtung zweier Familiengrüfte (20er Jahre des 18. Jahrhunderts) - ruhig.
Während der folgenden Jahrzehnte blieb es an und in der Kirche - mit Ausnahme der Errichtung des noch bestehenden Hochaltars (1731) und der Ausschachtung zweier Familiengrüfte (20er Jahre des 18. Jahrhunderts) - ruhig.
Bereits seit den frühen 60er Jahren des 18. Jahrhunderts hat man in Rorschach die Frage diskutiert, wie der Raumnot am wirksamsten zu begegnen sei, da die auf 850 Plätze konzipierte Kirche des 17. Jahrhunderts eine inzwischen auf über 1800 Mitglieder angewachsene Kirchgängerschar, zu der auch die Einwohner von Altenrhein und des Rorschacher Berges gehörten, längst nicht mehr aufzunehmen vermochte. Gegen den Vorschlag Iso Walsers (1722 - 1800), Offizial der Abtei St. Gallen von 1759 bis 1785 und engagierter Förderer des St. Galler Landkirchenbaus, das bestehende Gebäude abzureissen und ein grösseres zu errichten, setzte sich in Rorschach die Ansicht durch, das Raumproblem durch eine grosszügige Erweiterung der bestehenden Architektur zu lösen. Der äbtische Offizial übernahm die Leitung des 1782 - 1786 durchgeführten Umbaus deshalb nicht selbst, sondern übertrug sie dem Rorschacher Pfarrer Gerold Brandenberg (1733 - 1818). Für die finanzielle Verwaltung zeichnete der äbtische Statthalter Honorat Peyer im Hof (1710-1785) verantwortlich.
Die Kirche wurde unter Leitung des Rorschacher Baumeisters Johannes Haag (1755 - 1800) um 8,5 m gegen Westen verlängert und erhielt eine geschweifte Barockfassade [7. Kirche]. Das Innere der Kirche, wiederum mit zwei übereinanderliegenden Westemporen ausgestattet, erhielt anstelle der flachen Holzdecke eine Flachtonne, welche Andreas Brugger (1737 - 1812) aus Langenargen, ein Schüler Franz Anton Maulbertschs (1724 - 1796) und Martin Knollers (1725 - 1804), in den Jahren 1784 - 1784 ausmalte. Bereits zwei Jahre zuvor weilte Brugger durch Vermittlung des Rorschacher Kaufmanns Benedikt Martignoni (1741 - 1828) in Rorschach, wo ihm das Chorfresko zur Ausführung oblag. Am 28. Oktober 1784 konnte Beda Angehrn, der zweitletzte Fürstabt des Gallusklosters (reg. 1767 - 1796), die neue Kirche einsegnen.
Nach Eingriffen in den Jahren 1844 - 1846 (u.a. Restaurierung des Turms), 1870 - 1872 (u.a. Erneuerung der Emporen und Altäre, Errichtung einer neuen Orgel) und 1874 - 1878 (etappierter Einbau bunter Fenster, Ersetzung der Bestuhlung von Chor und Schiff) wurde die Kirche 1886/87 unter der architektonischen Leitung August Hardeggers (1858 - 1927) vollständig überholt [8. Kirche]. Wesentliche Veränderungen erfuhr dabei insbesondere der Portal- und Giebelbereich der Westfassade, während man im Kircheninneren die Fresken Andreas Bruggers teilweise übermalte.
1921/22 legte man bei einer weiteren Innenrenovation unter der Leitung des Rorschacher Architekten Adolf Gaudy (1872 - 1956) zwar die Fresken Bruggers wieder frei, doch retuschierten sie Josef Traub (1860 - 1934) und Karl Haaga sen. (1886 - 1965), beide Rorschach. Gleichzeitig erhielt der Innenraum eine neue Wand- und Dekorationsgestaltung (Einbau eines Brustgetäfers und eines Kreuzwegs; Ersetzung der gemalten Flechtbandornamente an den Gurtbogen durch vergoldete Stuckrosetten). Die obere Empore wurde verkleinert, während die im Stil Louis-seize gefertigte Brüstung der unteren Empore einer wuchtigen Balustrade weichen musste. Die Erweiterung des Hochaltars um seitliche Säulenstellungen, die vor die Chorfenster zu stehen kamen, bewirkte im Altarhaus eine markante Veränderung der Lichtverhältnisse.
1966/67 wurde die obere Empore entfernt und eine neue Orgel durch die Firma Mathis & Co., Näfels, auf der noch bestehenden unteren Empore errichtet. Von 1968 bis 1970 erfolgte die letzte grosse Aussenrestaurierung (Bundesexperte Albert Knoepfli, Aadorf TG). Nach dieser stellte man die Kirche unter Bundesschutz. 1992 stimmte die Kirchbürgerversammlung der Innenrestaurierung der Pfarrkiche zu, die - nach der archäologischen Befundaufnahme - unter Leitung des Architekturbüros Rausch Ladner und Clerici AG, Rheineck, im Spätherbst 1994 abgeschlossen wurde (Bundesexperte Josef Grünenfelder, Cham ZG).
Text: Johannes Huber
Aus: Pfarrkirche St. Kolumban und Konstantius in Rorschach, Schweizerische Kunstführer GSK, ISBN 3-85782-574-X
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